Dienstags ab 18 Uhr erwachsen...

Der Rollenwechsel vollzieht sich seit Oktober 2022 – auf der B27 Richtung Tübingen, immer dienstags und im Auto von Familie Müller. Dann wird die 17-Jährige von der Oberstufenschülerin zur Studentin. „Plötzlich erwachsen“, grinst Celine, „in der Mittagschule noch geduzt, im Brecht-Bau der Uni Tübingen dann gesiezt.“

Celine Müller absolviert im Wintersemester 2022/23 neben ihrem Schulunterricht am Gymnasium Balingen auch ein sogenanntes Französisch-Frühstudium. Dienstags von 18-20 Uhr geht es dann immer um französische Texte, die im „Übersetzungskurs Schriftsprache“ von Prof. Dr. Rembert Eufe ins Deutsche übersetzt werden. In Partnerarbeit setzt sich Celine dann zum Beispiel mit der Rede Emmanuel Macrons zum 60. Jahrestag des deutsch-französischen Élysée-Vertrags auseinander. Nur dass ihre Partner*innen keine Schule mehr besuchen, sondern Französisch auf Lehramt oder International Management studieren, einen Erasmus-Aufenthalt absolvieren – und locker Anfang/Mitte 20 sind.

Auf die Frage, wie die junge Ratshauserin auf diese Idee gekommen ist, gibt es gleich mehrere Antworten. „Am Ende der 10. Klasse war mir irgendwie langweilig. Ich hatte Lust auf eine Herausforderung“, erzählt Celine. Da wurde sie also hellhörig, als sie über mehrere Ecken und Freund*innen von der Möglichkeit erfahren hat. Fortan hat sich Celine tatkräftig selbst informiert. Über Google landete sie schließlich telefonisch im Uni-Sekretariat und wurde dort an ihren derzeitigen Dozenten Prof. Dr. Eufe verwiesen. Die Zielstrebigkeit der Nachwuchsstudentin zeigt sich auch an ihrer Seminarwahl: „Ich hätte auch eine kulturwissenschaftliche Veranstaltung wählen und mich also zum Beispiel mit Land und Leuten auseinandersetzen können. Der sprachwissenschaftliche Übersetzungskurs bringt mir aber mehr, jetzt im Französisch-Leistungskurs in der Schule und auch für später.“

Obwohl Celine bewundernswerte Eigeninitiative an den Tag legt, spielen ihre Schule und die Lehrerinnen am Gymnasium Balingen für die Entscheidung auch eine wichtige Rolle. Französisch-Lehrerin Carola Ebinger bestärkte ihren Schützling während Klasse 10 und Schulleiterin Michaela Mühlebach-Westfal musste gar von schulischer Seite aus das Einverständnis zum Uni-Besuch erteilen. Dies fiel der Schulleiterin, die selbst Französisch unterrichtet, aber nicht schwer: „Wir freuen uns, dass Celine in dieser Form erste Hochschulerfahrungen machen kann und sind sehr stolz auf ihre zielstrebige und anpackende Art.“

Stolz sind auch die Eltern, die ihre Tochter seit Oktober nicht nur einmal wöchentlich nach Tübingen fahren, sondern sich die dortige Wartezeit wechselweise mit einem Besuch beim Mexikaner oder Griechen verkürzen, wie Celine amüsiert berichtet.

Nun endet im Februar das Semester – und damit Celines Seminar. Ein weiteres will sie zunächst nicht besuchen, nun gilt ihre volle Aufmerksamkeit wieder der Schule und dem angestrebten Abitur. Die Internetsuchmaschine hat die Gymnasiastin mittlerweile aber nochmal angeworfen: „Ich habe einfach mal Politik und Französisch bzw. Fremdsprachen eingegeben. Herauskam dann Diplomatie und auch Auswärtiger Dienst.“ Und damit hat Celine eine berufliche Perspektive vor Augen, die ihre Interessen gut zu vereinen scheint. Neben der französischen Sprache interessiert sie sich nämlich auch für Politik: Seit 2021 ist sie in der Jungen Union und ihr BOGY-Praktikum hat sie im vergangenen Schuljahr im baden-württembergischen Landtag absolviert.

Ob Celine bis zu ihrem Abitur im Sommer 2024 nochmal die Google-Suche anwirft und auf neue Ideen kommt, ist offen. Feststeht aber, dass am Gymnasium Balingen mittlerweile die angehenden Oberstufenschüler*innen über die Möglichkeiten eines parallelen Frühstudiums informiert und dabei unterstützt werden. Und mit Celine Müller gibt es nicht nur eine gute Ansprechpartnerin, sondern auch ein inspirierendes Vorbild. 

Zurück