Geschichte-Basisfach (K2) wirkt am Volkstrauertag 2023 mit

Am Sonntag, den 19. November wirkten Schüler*innen des Geschichte-Basisfachs (K2) von Herrn Seidl am Volkstrauertag in Balingen in Form eines Redebeitrags mit.

Wir bedanken uns ganz herzlich für die nachdenklich stimmenden Worte:

 

 

Textbeitrag zur Gedenkstunde am Volkstrauertag (19.11.2023)

Gymnasium Balingen, Grundkurs Geschichte (K2) Seidl

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch wir, die Schülerinnen und Schüler des Grundkurses Geschichte am Gymnasium Balingen wollen heute der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedenken. Wir erinnern uns an die Millionen Gefallenen zweier Weltkriege und an die unzähligen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Wir erinnern uns auch an alle Menschen, die bis heute auf der ganzen Welt in kriegerischen Auseinandersetzungen, bei Verfolgungen von Minderheiten und in zahlreichen innerstaatlichen Konflikten ums Leben gekommen sind.

Für unsere Generation war der Krieg lange Zeit ein eher abstrakter Begriff; etwas, das man aus Büchern und Erzählungen, aus Filmen oder eben aus dem Geschichtsunterricht kennt. Er war jedenfalls etwas, das vor langer Zeit stattgefunden hat. Im Gegensatz zu früheren Generationen hatten wir das Glück, im Frieden aufwachsen zu dürfen. Für die Enkel und Urenkel der Kriegsgeneration war es normal und fast schon selbstverständlich, in einem friedlichen und geeinten Europa zu leben. Erbitterte Gegner von einst sind längst den Weg der Verständigung und Versöhnung gegangen und die ehemaligen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich haben heute manchmal sogar gemeinsame Gedenkstätten!

Natürlich kommen über das Fernsehen oder über soziale Medien Bilder von Gewalt und Zerstörung zu uns. Meist war das Geschehen jedoch räumlich weit entfernt und so bekamen wir allenfalls eine Ahnung davon, was Krieg für die Menschen bedeuten kann. Nach vielen scheinbar friedlichen Jahren – oder wollten wir so manchen Konflikt am Rande Europas nicht wirklich wahrhaben – ereignete sich eine historische Zäsur: Seit dem 24. Februar 2022 tobt wieder ein Eroberungskrieg in Europa. Einer ganzen Nation wird ihre kulturelle und politische Eigenständigkeit, ja sogar ihr Existenzrecht abgesprochen. Der brutale russische Überfall auf die Ukraine hat die Welt aufgerüttelt und überall in Europa – ganz besonders auch in Deutschland – sind seither seine Folgen zu spüren. Die täglichen Fernsehbilder, die Nachrichten in den sozialen Medien und nicht zuletzt die vielen geflüchteten Menschen, die es zu versorgen und unterzubringen gilt. Auch an unserer Schule gibt es einige ukrainische Mitschülerinnen und Mitschüler, die um Familienmitglieder in ihrer Heimat bangen müssen. Wir können quasi live verfolgen, wie Menschen alles verlieren: Angehörige, ihre Gesundheit, Hab und Gut und oft auch ihre angestammte Heimat. Plötzlich ist der Krieg nicht mehr ein abstrakter Begriff oder etwas, was in weit entfernten Weltgegenden geschieht, sondern etwas, das sich vor unserer Haustüre abspielt. Zerbombte Städte und Ortschaften, zerstörte Kulturdenkmäler, zehntausende Opfer, eine Besatzungsherrschaft, die vor Terrormaßnahmen nicht zurückschreckt, Menschen in panischer Flucht, das Leid der traumatisierten Überlebenden – millionenfache Schicksale gerade mal eine Tagesfahrt weit im Osten entfernt.

Vor einigen Wochen geriet dann wieder einmal der Nahe Osten in den Fokus der Berichterstattung. Der heimtückische Überfall von Terrortrupps der Hamas auf Israel schockierte die ganze Welt. Vor allem Zivilisten, darunter unzählige Frauen und Kinder, wurden brutal massakriert mit dem unverhohlenen Ziel der Angreifer, möglichst viel jüdisches Leben zu vernichten. In dieser Situation war der Staat Israel gezwungen, zu seiner Selbstverteidigung massiv gegen die Verursacher dieses Terrors zurückzuschlagen. Bei den Angriffen auf die im dicht besiedelten Gebiet des Gazastreifens versteckten Hamas-Stützpunkte gab es viele zivile Opfer. Wir können heute nicht auf die Hintergründe der komplexen Konfliktlage im Nahen Osten eingehen, doch zeigt sich hier wiederum, wohin politischer Extremismus und religiöser Fanatismus führen können.

Doch sind dies bei weitem nicht die einzigen kriegerischen Konflikte unserer Zeit. Erst vor kurzem befanden sich Aserbeidschaner und Armenier im Krieg, viele Menschen kamen ums Leben und noch mehr mussten ihre Heimat für immer verlassen. Auch innerhalb von Staaten findet Verfolgung und Gewalt gegen Minderheiten statt. Stellvertretend für viele andere unterdrückte Völker seien hier die Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjang genannt, denen heute ein kultureller Genozid droht. Das Los der Frauen, die unter dem Taliban-Regime in Afghanistan mundtot gemacht wurden und wie „Menschen zweiter Klasse“ behandelt werden, ist fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Auf dem afrikanischen Kontinent spielen sich seit Jahrzehnten zahllose Konflikte ab, in unseren Nachrichten taugen sie meist nur als Randnotiz.

Was können wir also tun? Sind wir etwa nur ohnmächtige Beobachter des Geschehens? Diejenigen, die ihr Leben in Kriegen verloren haben, können wir nicht zurückbringen. Aber wir können ihr Opfer und Leiden würdigen, indem wir uns aktiv für eine Welt des Friedens und der Versöhnung einsetzen. Frieden ist dabei nicht einfach nur die Abwesenheit von Krieg, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Frieden erfordert internationale Zusammenarbeit, die Anerkennung und Wertschätzung des Anderen, ein aufeinander Zugehen und die Fähigkeit, dabei auch nationale und kulturelle Grenzen zu überwinden. Dazu gehört aber auch der feste Wille, unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch in einer Krisenstimmung aufrechtzuerhalten und zu verteidigen und anderen dabei beizustehen.

Der Volkstrauertag erinnert uns daran, dass Frieden ein kostbares Gut ist. Wir tragen alle gemeinsam die Verantwortung, ihn zu bewahren.

Wir danken Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

Zurück